"ALLES IST MÖGLICH"


Eine Begegnung mit Nicole Häußler


Nicole Häußler kommt mit einem Lächeln im Gesicht in das „Café im Kornhauskeller“. Die Haare sind streng nach hinten gekämmt, fast ein bisschen zu streng. Ein Widerspruch, denn diese Strenge passt so gar nicht zu dem offenen Blick, den mir die Sängerin zur Begrüßung schenkt. Ein Blick, der die Vertrautheit vermittelt, als ob wir uns schon eine halbe Ewigkeit kennen.

Für die Ulmerin ist dies sicher nichts Ungewöhnliches. Man kennt sie. Und zwar von unzähligen Konzerten, die sie in den vergangenen Jahren in Ulm, um Ulm und auch weit um Ulm herum gegeben hat. Man kennt sie als Frontfrau des Trios Nic Diamond & the mellow tunes oder auch als Sängerin des Siyou Gospel Projects.
Doch Nicole Häußler ist nicht nur auf den Bühnen der Region zu Hause, sie ist es in Tonstudios, in Klassenzimmern und Seminarräumen – als Chorleiterin der Voices of Soul, Gesangslehrerin und Lichtenberger-Pädagogin. Gesang? Welche Bedeutung hat dieses Wort für die zweifache Mutter? Nicole Häußler: „Singen ist für mich Freiheit, ist eine Kraft, die sich aus mir heraus gestaltet. Mit allem, was ich in diesem Moment bin. Singen verbindet die Stimme mit dem Körper, daraus schöpfe ich ein großes Selbstvertrauen.“

Ja. Ein uneingeschränktes Ja, ihr Beruf tut ihr gut, unendlich gut. Denn Gesang ist für sie wie das Malen von Seelenbildern, die sie mit Melodien, Harmonien und immer mit Haut und Haaren zeichnet. Das ist das, was zählt. Für sie selbst und für Andere: „Wenn ich auf der Bühne stehe, dann wünsche ich mir, dass mein Gesang die Menschen berührt und diese nach meinen Konzerten mit vollem Herzen nach Hause gehen.“ Nicole Häußler hält inne, greift sich einen weiteren Gedanken und ich habe das Gefühl, als ob sie ihn noch nicht in die Freiheit entlassen möchte. So schön ist er. Eine schöne Gewissheit. Wieder sprechen ihre Augen zuerst, dann ihre Stimme: „Wenn es etwas Göttliches gibt, dann spüre ich es in meinem Gesang.“

Doch seit wann? Wann hat sie diese herrlichen Momente zum ersten Mal gespürt? Sie lächelt freundlich und gibt unumwunden zu: „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht mehr so genau.“ Dafür erfüllt die Musik schon zu lange ihr Leben. Mit ihr ist sie aufgewachsen, groß geworden. Mit Hausmusikabenden, bei denen der Vater Klavier spielte, und sie sang. Gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Schwester Stephanie.

An ihren ersten öffentlichen Auftritt kann sie sich sehr wohl erinnern, so als ob er in der vergangenen Woche gewesen wäre. Es war hinter dem Münster, nicht weit von hier – und auch nicht ganz freiwillig: „Meine Freunde haben damals ohne mein Wissen den Organisatoren des Ulmer Gesangswettbewerb „Latente Talente“ ein Demoband geschickt.“ Prompt wurde sie ausgewählt und stand so im zarten Alter von 14 Jahren zum ersten Mal vor Publikum. Am Rande des Ulmer Cityfestes sang sie „Eternal Flame“ von den Bangles. Mit der ewigen Flamme fing alles an.

Dass die Musikbühnen dieser Stadt fortan einen unheimlichen Reiz auf sie ausübten, war auch ein Verdienst des verunglückten Straßenmusikers Charly Sick, der Lieder sang, die sie berührten. Und noch heute berühren:
„Er öffnete mir die Türe zur Musik.“


Das Andenken an den verstorbenen Künstlerfreund wird sie ewig im Herzen bewahren, so wie sie auch einen ganz besonderen Ring am Finger trägt. Ein Ring, in dem ein Gedicht von Rainer Maria Rilke eingraviert ist. Ihr Gedicht:„Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge ziehn. Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn.“

Für Nicole Häußler sind die Worte wie ein großer Gesang: „Sie zeigen auf wunderbare Weise, dass man als Mensch nie ankommt, dass alles nie zu Ende ist. Das Lernen nicht, das Fühlen nicht, das Leben nicht. Bis zum Schluss ist alles möglich.“

Doch der ist noch weit. Die Sängerin ist im Moment eher an einem Punkt angelangt ist, an dem es - mal wieder - so richtig brodelt, neue Projekte zum Aufbruch drängen. Hinauf auf die Bühnen. Als Nic Diamond, als Sängerin des Siyou Gospel Project, oder als… wer weiß? Vielleicht mit einem ganz neuen Projekt? Mit eigenen Songs?

Alles ist möglich. Sie ist offen für die Zukunft, so offen, wie die lachenden Augen, mit denen sie sich verabschiedet: „Man sieht sich.“ Ganz bestimmt. Und wahrscheinlich auf einer Bühne auf der Nicole Häußler singen wird.
Für sich – und für die Herzen der Anderen.

von Stefan Loeffler